„Drei Jahre Beitragsfreistellung können bis zu 40.000 Euro ausmachen“

Frauen haben in der Regel weniger Altersrente als Männer. Das liegt auch daran, dass das Bewusstsein für wichtige Mechanismen fehlt. Etwa, welche Folgen es haben kann, wenn frau ihren Altersvorsorgevertrag beitragsfrei stellt. Wir sprachen darüber mit Ute Thoma, Leiterin im Produkt- und Marktsegment der betrieblichen Altersvorsorge bei der Bayerischen.

BIOMEX.TV: Frau Thoma, ich denke, wir sind uns einig, dass es keine besonderen Produkte für Frauen in der Altersversorge bedarf. Aber wie sieht es denn mit der Beratung aus? Braucht es da eine spezielle Beratung für Frauen?

Ute Thoma: Es braucht überhaupt erst mal eine Beratung. Wenn wir uns die Altersversorgung von Frauen anschauen, ist das Niveau in allen drei Schichten, nicht nur in der gesetzlichen Rente, unterhalb der des Mannes. Der sogenannte Gender Pension Gap liegt zwischen 30 und 40 Prozent, je nachdem ob man Hinterbliebenenrenten mit einrechnet oder nicht. Das setzt sich in der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Altersvorsorge fort. Zudem arbeiten viele Frauen in Teilzeit, die Versorgungslücke ist hier noch mal wesentlich größer als bei Männern. Das heißt, Beratung tut Not.

Wie unterscheidet sich die Beratung der Damen von der für männliche Kundschaft? 

Thoma: Die Beratung unterscheidet sich grundsätzlich nicht. Es gibt aber gewisse Lebenssituationen, in der die Beratung von Frauen anders erfolgen muss. Beispielsweise, wenn sie jung Mutter werden. Das sind Grenzsituationen. Frauen sind dann auf den Tag fokussiert. Strategisch langfristige Planungen sind aktuell gar nicht ihr Thema. Sie bekommen teils drei, vier Jahre nicht viel Schlaf, versuchen den Tag zu überstehen. Insofern ist eine empathische Begleitung der Frau hier erforderlich.

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Wenn Frauen Kinder bekommen, werden die Beiträge von Altersvorsorgeverträgen oft beitragsfrei gestellt. Bei Vätern laufen die Verträge in der Regel weiter. Wie können Berater dieses Ungleichgewicht verhindern?

Thoma: Hier sollte man möglichst mit dem Paar ins Gespräch kommen und über die Folgen informieren. Einer Frau, die drei Jahre in Elternzeit geht und vorher 200 Euro monatlich in eine bAV eingezahlt ist, fehlen 7.200 Euro. Durch den Zinseszinseffekt kann sich das in den nächsten 30 Jahren auf 40.000 Euro summieren. Zeigt die Beraterin oder der Berater das auf, ist oft die Bereitschaft da, die Beiträge privat weiter aus dem Familieneinkommen zu zahlen. Deshalb ist es sinnvoll, das Gespräch mit dem Paar gemeinsam zu führen.

Wenn man zum Thema Gender Pension Gap berät, gibt es da das große Erwachen und ungläubige Staunen?

Thoma: Ich stelle sowohl bei männlichen Beratern als auch bei männlichen Kunden tatsächlich oft Erstaunen und Betroffenheit fest. Es ist ihnen oft nicht bewusst, welche Konsequenzen es für die Altersvorsorge der Frau hat, wenn Kinder geboren werden und vor allem die Mutter sich um den Nachwuchs kümmert. Die Frau arbeitet ja trotzdem den ganzen Tag, genau wie ihr Mann. Nur es ist eben unbezahlte Sorge-Arbeit, die nicht sozialversicherungspflichtig ist und auch zu keinem Alterseinkommen führt.

Gibt es gibt es absolute No-Gos bei der Beratung von Frauen?

Thoma: Wie ein Oberlehrer zu referieren, sollte man lassen. Es ist besser, eine bildhafte Sprache zu bemühen, auf Augenhöge zu beraten, die Themen zu fokussieren und die Frau nicht mit Zahlenkolonnen zu erschlagen. Das ist wichtig.

Wie kann man als Versicherer hier unterstützen? Wie machen Sie das bei der Bayerischen?

Thoma: Auf jeden Fall sollte das Thema angesprochen werden. Eine Beitragsfreistellung auf Grund von Schwangerschaft oder Elternzeit sollten Berater nicht einfach so durchwinken, sondern bei dem Paar anrufen. Weil das Problem oft nicht wirklich bewusst ist, bietet sich an, die Berater zu schulen.

Braucht es insgesamt mehr Frauen im Versicherungsvertrieb?

Thoma: 2036 gehen die Babyboomer in Rente. In Deutschland fehlt dann ein Drittel der heutigen Arbeitskräfte. Um den Nachwuchs an Arbeitskräften werden sich viele Firmen und Branchen entsprechend bemühen müssen. Die „stille Reserve“ der Teilzeit arbeitenden Frauen wird spätestens dann an Bedeutung gewinn. Für Frauen ist das eine tolle Tätigkeit. Die Altersvorsorgeberatung ist unheimlich sinnstiftend, man kann sich seine Zeit frei einteilen, und die Prozesse sind auf die digitale Beratung abgestellt: Ich sehe für Frauen hier ein tolles Betätigungsfeld.

Wir hatten im Vorgespräch über den Paragraf 100 Einkommensteuergesetz gesprochen. Was hat es damit auf sich?

Thoma: Es gibt im Einkommensteuergesetz den Paragrafen 100. Er besagt folgendes: Wenn ein Arbeitgeber seinen geringfügig Beschäftigten eine betriebliche Altersversorgung finanziert, beteiligt sich der Staat bei einem Monatsbeitrag von bis zu 80 Euro mit maximal 30 Prozent. Geringfügig beschäftigt ist jemand, der bis 2.555 Euro brutto verdient. Auch in Teilzeit. Es gibt gewisse Voraussetzungen, beispielsweise muss es sich bei dem Vertrag um einen ungezillmerten Tarif handeln. Da gibt es ungefähr in der Branche zehn Anbieter, und die Bayerische gehört dazu.

Das ist also eine Vertriebschance für Vermittler, denn Teilzeit bei Frauen ist ja nicht ungewöhnlich?

Thoma: Absolut. Sie können Arbeitgebern die Altersversorgung bis zu 30 Prozent günstiger darstellen.

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Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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